Lange erwartet und nun nach zwei Jahrzehnten Sozialer Pflegeversicherung hat die Große Koalition im Bundeskabinett ein „2. Pflegestärkungsgesetz“ verabschiedet. Es ist dies die umfassendste, aber auch teuerste Reform, die die Pflegeversicherung erfährt.

Zentraler Punkt ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der Demenzkranken Anspruch auf die gleichen Leistungen einräumt wie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen.

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Neueinstufung in fünf Pflegegrade

Bisher hat der Medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenversicherung (MDK) in seinen Gutachten festgestellt, welche Unterstützung ein Pflegebedürftiger benötigt. Dies drückt sich ambulant und stationär in drei Pflegestufen aus. Das bisherige System soll künftig durch fünf Pflegegrade ersetzt werden. Eine zusätzliche Demenzfeststellung entfällt. Die Leistungen für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz werden in das neue Leistungsrecht übernommen. Körperliche, geistige und psychische Erkrankungen werden dann gleichermaßen in die Einstufung einbezogen.

Die MDK-Gutachter nehmen also mehr Bereiche als bisher in Augenschein und bestimmen dann den Pflegegrad. Anders als bisher wird nicht der Pflegebedarf sondern die vorhandene Selbstständigkeit beurteilt.

Dies geschieht in sechs Bereichen:

  • Mobilität
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung
  • Bewältigung und Umgang von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen
  • und Belastungen Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Künftig sollen in Pflegegrad 1 Menschen eingestuft werden, die noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben, aber Leistungen wie Pflegeberatung, Anpassung des Wohnumfeldes oder allgemeine Betreuung benötigen.

Besitzstandswahrung und Antragstellung

Bundesgesundheitsminister Gröhe stellt klar: „Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird per Gesetz automatisch in das neue System übergeleitet. Pflegeleistungen werden mindestens im gleichen Umfang geleistet wie bisher“.

Neu wird auch eine Regelung bei Heimbewohnern sein. Der Eigenanteil ist bei den Pflegegraden zwei bis fünf einheitlich. Die Zuzahlung steigt also nicht mehr bei höherer Einstufung.

 Verbesserungen für pflegende Angehörige

 2,6 Millionen Menschen sind in Deutschland pflegebedürftig, von denen 1,25 Millionen im privaten Umfeld betreut werden. Weil weitere 600.000 ambulante Unterstützung erhalten, sind damit in rund zwei Drittel der Pflegefälle Angehörige eingebunden.

Die pflegenden Angehörigen erhalten Verbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Künftig soll die Pflegeversicherung Beiträge für Angehörige zahlen, die ein Familienmitglied pflegen. Wenn pflegende Angehörige aus ihrem Beruf aussteigen, sollen die Pflegekassen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ohne Befristung zahlen.

Wer aber als pflegender Angehöriger schon Rente bezieht – und das sind nicht wenige – bleibt außen vor.

 Finanzierung der Reform

Die Mehrausgaben werden durch Entnahme aus der Rücklage der Pflegeversicherung und durch Beitragsanhebung kompensiert.

Ab 2017 steigt der Beitragssatz auf 2,55 Prozent und 2,8 Prozent für Kinderlose. Anfang 2015 war der Beitragssatz bereits um 0,3 Prozentpunkte angehoben worden. Das spüle, so der Bundesgesundheitsminister, jährlich 5 Milliarden EUR zusätzlich in die Pflegekassen. Die Annahme, damit könne bis 2022 der Beitragssatz stabil gehalten werden, wird angesichts des neuen Leistungsumfangs und der demografischen Entwicklung von vielen Fachleuten stark angezweifelt.

Es darf nicht vergessen werden, daß die Rücklage der Pflegeversicherung um rund die Hälfte (4 Milliarden Euro) aufgebraucht wird. Die Beitragszahler werden diese Geldentnahme in den nächsten Jahren sicher wieder auszugleichen haben.

Wie geht es weiter ?

Die erste Lesung  im Bundestag findet am 24./25. September 2015 statt.. Der Abschluss im Bundestag soll am 12./13. November und im Bundesrat am 18. Dezember sein. Dann kann das Gesetz – wie geplant – zum 1. Januar 2016 in Kraft treten

Das neue Begutachtungsverfahren und die Umstellung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung sollen zum 1. Januar 2017 wirksam werden.

Das Jahr 2016 dient im wesentlichen der Vorbereitung, insbesondere auch bei den Gutachtern des MDK.

Die Position der BfA DRV-Gemeinschaft

Der Vorstand der BfA-Gemeinschaft hat sich klar positioniert. Die Forderung, den Begriff der Pflegebedürftigkeit zu überarbeiten, wird mit diesem Gesetzentwurf angegangen.

Weiter fordert die BfA DRV-Gemeinschaft für die Versicherten

  1. Eine gemeinsame zukunftssichere Finanzierung durch Versicherte und Arbeitgeber sowie die Dynamisierung der Leistungen
  2. Qualitätsgesicherte Angebote an ambulanten und stationären Leistungen mit mehr Transparenz als bisher
  3. Rehabilitation vor Pflege durch systematische Erfassung des Reha-bedarf
  4. und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie

 Wir werden den Weg des Gesetzes weiter aktiv begleiten.

 

 Karl Heinz Plaumann


K.-H. Plaumann

Direktor a.D. (MDK Baden-Württemberg)
Vorstandsmitglied der BfA-Gemeinschaft

 

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