Die neue Koalition aus SPD, GRÜNEN und FDP hat den Vertrag für die Regierungszeit in den nächsten vier Jahren fertiggestellt. Aus dem Koalitionsvertrag auf 177 Seiten niedergeschrieben ist der Teil zur sozialen Sicherheit nachstehend wieder gegeben. Wie auch über die anderen Ausführungen, ob zu Finanzen, Inneres oder Umwelt haben sich in den Tagen seit der Bekanntmachung schon die Verbände, Parteien und Gewerkschaften mit kritischen Bemerkungen beschäftigt. Wie immer, den einen gehen die beabsichtigten Maßnahmen nicht weit genug, den anderen gehen die Vorhaben zur weit. Entscheidend wird aber sein, was dann endgültig in den Gesetzen stehen wird. Sowohl wird also der Inhalt zu prüfen sein, wie auch die Frage zu beantworten ist, wie die Vorhaben finanziert werden sollen.
Der Vorstand und die Mitglieder in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung der BfA DRV-Gemeinschaft werden sich mit den für sie relevanten Texten beschäftigen und ihrerseits zum Zeitpunkt der Entwicklung der Gesetze zur Verwirklichung der von der Koalition angesagten Gesetzesvorhaben ihre Stellungnahme gegenüber den politisch Verantwortlichen abgeben.
 
Auszug aus dem Koalitionsvertrag

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Den hohen Arbeits- und Gesundheitsschutz in der sich wandelnden Arbeitswelt erhalten wir und passen ihn neuen Herausforderungen an. Insbesondere der psychischen Gesundheit widmen wir uns intensiv und erarbeiten einen Mobbing-Report. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützen wir bei Prävention und Umsetzung des Arbeitsschutzes. Das betriebliche Eingliederungsmanagement stärken wir.

Sozialstaat, Altersvorsorge, Grundsicherung

Wir werden den Sozialstaat bürgerfreundlicher, transparenter und unbürokratischer machen, und ihn auf die Lebenswirklichkeiten unserer Zeit ausrichten. Ein Schritt zu mehr Bürgernähe ist die umfassende Digitalisierung von Leistungen. Information, Beratung, Antragstellung sowie Kommunikation und Abfragen unter den zuständigen Stellen müssen unter Wahrung des Datenschutzes digital und einfach möglich werden. Auch soll die Qualität analoger Beratung durch digitale Unterstützung verbessert werden. Wo immer möglich, sollen Leistungen, die Bürgerinnen und Bürger zustehen, automatisch ausgezahlt werden. Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen zustehenden Leistungen wie aus einer Hand erhalten, im Rahmen möglichst niedrigschwelliger, einheitlicher Anlaufstellen vor Ort. Dazu werden wir eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einrichten und die Sozialversicherungsträger beteiligen.

Altersvorsorge

Eine gute und verlässliche Rente nach vielen Jahren Arbeit ist für die Beschäftigten wichtig. Es geht darum, sich mit eigener Arbeit eine gute eigenständige Absicherung im Alter zu schaffen. Wir werden daher die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent (Definition vor der kürzlich durchgeführten Statistikrevision) dauerhaft sichern. In dieser Legislaturperiode steigt der Beitragssatz nicht über 20 Prozent.

Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben. Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. Diese teilweise Kapitaldeckung soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden und global anlegen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen. Der kapitalgedeckte Teil der gesetzlichen Rente muss für das Kollektiv der Beitragszahler dauerhaft eigentumsgeschützt sein. Wir werden der Deutschen Rentenversicherung auch ermöglichen, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen. Die umlagefinanzierte Rente wollen wir durch die Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die erwerbsbezogene und qualifizierte Einwanderung stärken.

Wir werden den sogenannten Nachholfaktor in der Rentenberechnung rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren und im Rahmen der geltenden Haltelinien wirken lassen. So stellen wir sicher, dass sich Renten und Löhne im Zuge der Coronakrise insgesamt im Gleichklang entwickeln und stärken die Generationengerechtigkeit ebenso wie die Stabilität der Beiträge in dieser Legislaturperiode. Wir wollen Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Bestand umsetzen.

Neben der gesetzlichen Rente bleiben die betriebliche wie private Altersvorsorge wichtig für ein gutes Leben im Alter. Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen. Zusätzlich muss das mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits in der vorletzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Sozialpartnermodell nun umgesetzt werden.

Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen. Eine Förderung soll Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen. Es gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge. Den Sparerpauschbetrag wollen wir auf 1.000 Euro erhöhen.

Wir wollen das Rentensplitting bekannter machen, unter anderem indem die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen der jährlichen Renteninformation auf diese Möglichkeit hinweist. Zudem sollen auch unverheiratete Paare dies nutzen dürfen.

Im Laufe der Wahlperiode werden wir die Wirkung der Grundrente evaluieren, Verbesserungsvorschläge erarbeiten, insbesondere auch zum Prüfungsaufwand bei Kapitalerträgen.

Wir setzen den geplanten Fonds aus der 19. Wahlperiode zur Abmilderung von Härtefällen aus der Ost-West-Rentenüberleitung auch für jüdische Kontingentflüchtlinge und Spätaussiedler um. Wir wollen eine reguläre Mitgliedschaft von in Justizvollzugsanstalten arbeitenden Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in der gesetzlichen Rentenversicherung ermöglichen und werden hierfür den Dialog mit den dafür zuständigen Ländern suchen.

Prävention und Rehabilitation

Wir machen längeres, gesünderes Arbeiten zu einem Schwerpunkt unserer Alterssicherungspolitik. Hierzu werden wir einen Aktionsplan „Gesunde Arbeit“ ins Leben rufen sowie den Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ stärken. Wir werden Rehabilitation stärker auf den Arbeitsmarkt ausrichten und die unterschiedlichen Sozialversicherungsträger zu Kooperationsvereinbarungen verpflichten. Den Zugang zu Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation werden wir vereinfachen sowie das Reha-Budget bedarfsgerechter ausgestalten. Um frühzeitig einer Erwerbsminderung entgegenzuwirken, wollen wir unter Berücksichtigung der Evaluationsergebnisse den Ü45- Gesundheits-Check gesetzlich verankern und flächendeckend ausrollen.

Renteneintritt

Die Flexi-Rente wollen wir durch bessere Beratung in ihrer Bekanntheit verbreitern und die Regelung zum Hinzuverdienst bei vorzeitigem Rentenbezug entfristen. Gemeinsam mit den Sozialpartnern werden wir in einen gesellschaftlichen Dialogprozess darüber eintreten, wie Wünsche nach einem längeren Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können und dabei insbesondere einen flexiblen Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild und die Situation besonders belasteter Berufsgruppen in die Diskussion mit einbeziehen.

Absicherung für Selbständige

Wir entlasten Selbstständige dadurch, dass Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oberhalb der Minijobgrenze nur noch strikt einkommensbezogen erhoben werden. Wir werden für alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit einführen. Selbstständige sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt- /Outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Dieses muss insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. Bei jeder Gründung gilt jeweils eine Karenzzeit von zwei Jahren. Die geförderte zusätzliche private Altersvorsorge steht allen Erwerbstätigen offen.

Bürgergeld

Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen. Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein.

Wir gewähren in den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezuges die Leistung ohne Anrechnung des Vermögens und anerkennen die Angemessenheit der Wohnung. Wir werden das Schonvermögen erhöhen und dessen Überprüfung entbürokratisieren, digitalisieren und pragmatisch vereinfachen. Um die Erstattung der Kosten der Unterkunft transparenter und rechtssicherer auszugestalten, schaffen wir einen verbesserten gesetzlichen Rahmen für die Anwendung der kommunalen Angemessenheitsgrenzen und stellen sicher, dass diese jährlich überprüft und ggf. angepasst werden. Dies erleichtert den Kommunen, die Kosten der Unterkunft und Heizung als regionalspezifische Pauschalen auszuzahlen.

Das Bürgergeld stellt die Potenziale der Menschen und Hilfen zur nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändern wir so, dass künftig eine Beratung auf Augenhöhe möglich ist und eine Vertrauensbeziehung entstehen kann. Es werden die Stärken und Entwicklungsbedarfe durch ein Kompetenzfeststellungsverfahren ermittelt, mit dem auch „Soft Skills“ zertifizierbar werden. Die Angebote und Maßnahmen werden im Rahmen einer Teilhabevereinbarung mit den Bürgergeldbeziehenden gemeinsam vereinbart, in einfacher Sprache formuliert und ggf. angepasst.

Diese ersetzt die bisherige Eingliederungsvereinbarung. Es gilt eine sechsmonatige Vertrauenszeit. Für Konfliktfälle schaffen wir einen unabhängigen Schlichtungsmechanismus.

An Mitwirkungspflichten, die in der Teilhabevereinbarung festgehalten werden, halten wir fest. Sie werden gesetzlich bis spätestens Ende 2022 neu geordnet. Der Neuregelung geht eine Evaluation voraus. Damit setzen wir auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes um, wie die Kosten der Unterkunft von Sanktionen auszunehmen und Unter-25-Jährige gleich zu behandeln. Ihnen machen wir im Sanktionsfall ein Coaching-Angebot in Abstimmung mit der örtlichen Jugendhilfe (nach § 16h SGB II). Bis zur gesetzlichen Neuregelung schaffen wir ein einjähriges Moratorium für die bisherigen Sanktionen unter das Existenzminimum, das auch für kommunale Jobcenter gelten muss. Wir werden die Nachhaltigkeit der Integration in den Arbeitsmarkt ins Zentrum des Zielsteuerungssystems des SGB II stellen und die hierfür notwendigen Schritte der sozialen Stabilisierung und Teilhabe ebenso berücksichtigen. Das Bürgergeld soll individuelle, ganzheitliche Unterstützung leisten. Dazu sollen auch Instrumente anderer Sozialgesetzbücher genutzt werden. So erhöhen wir die Durchlässigkeit und reduzieren Schnittstellen. Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen Jobcentern und Kommunen durch Kooperationsvereinbarungen intensivieren. Wir werden den Jobcentern mehr Gestaltungsspielraum und regionale Verantwortung übertragen und die freie Förderung (§ 16f SGB II) aufwerten.

Der Vermittlungsvorrang im SGB II wird abgeschafft. Die Förderung der Weiterbildung und Qualifizierung werden wir stärken. Die Prämienregelung bei abschlussbezogener Weiterbildung werden wir entfristen. Wir fördern vollqualifizierende Ausbildungen im Rahmen der beruflichen Weiterbildung unabhängig von Dauer und Grundkompetenzen, auch im Umgang mit digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien. Bürgergeldberechtigten kann im Rahmen der Teilhabevereinbarung für die Teilnahme an der Eingliederung dienenden Förder- oder Unterstützungsmaßnahmen ein befristeter Bonus gezahlt werden.

Das Teilhabechancengesetz (§ 16i und § 16e SGB II) wollen wir entfristen und weiterentwickeln. Begleitendes Coaching und aufsuchende Sozialarbeit werden Regelinstrumente in SGB II und SGB XII.

Kinder und Jugendliche bedürfen besonderer Unterstützung für einen gelingenden Bildungs- und Ausbildungsverlauf. Wir werden § 16h SGB II ausweiten, um die Kooperation mit der Jugendhilfe zu stärken und gemeinsame Anlaufstellen zu schaffen. Auf ältere Bürgergeldberechtigte können wir auf dem Arbeitsmarkt nicht verzichten. Wir werden Frauen gezielt mit passenden Angeboten unterstützen und dabei insbesondere darauf achten, dass Mütter von kleinen Kindern früher, auch durch Angebote in Teilzeit (z. B. Teilzeitausbildungen) besser erreicht werden. Ausgehend von den Erfahrungen der Modellprojekte im Rahmen von „RehaPro“ werden wir die präventive Gesundheitsförderung in den Jobcentern stärken. Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund wollen wir besonders fördern. Generell werden wir Angebote stärker mit der Sprachförderung im alltagspraktischen Zusammenhang verknüpfen.

Die Zuverdienstmöglichkeiten werden wir verbessern mit dem Ziel, Anreize für sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu erhöhen. Die Anrechnung von Schüler- und Studentenjobs von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II sowie Pflege- oder Heimkindern soll entfallen. Bei Auszubildenden erhöhen wir den Freibetrag.

Wir werden eine Reform auf den Weg bringen, die Bürgergeld (ehemals Arbeitslosengeld II), Wohngeld und gegebenenfalls weitere steuerfinanzierte Sozialleistungen so aufeinander abstimmt, beziehungsweise wo möglich zusammenfasst, so dass die Transferentzugsraten die günstigsten Wirkungen hinsichtlich Beschäftigungseffekten und Arbeitsmarktpartizipation in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erzielen, die Zuverdienstmöglichkeiten verbessert und Grenzbelastungen von 100 und mehr Prozent ausgeschlossen werden. Zur Entwicklung des Reformmodells wird eine unabhängige Kommission aus mehreren hierfür qualifizierten unabhängigen Instituten beauftragt.

Auch die Möglichkeit für erwerbsgeminderte Personen sowie für Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung, mit einer Erwerbstätigkeit ihr Einkommen zu verbessern, wollen wir ausweiten. Die Anrechnung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Arbeit soll in Anlehnung an das Steuerrecht mit einem jährlichen Freibetrag gestaltet werden.

Eine passgenaue und ganzheitliche Unterstützung erfordert einen ausreichend dimensionierten Betreuungsschlüssel und gut qualifiziertes Personal bei den Jobcentern. Wir werden daher Eingliederungs- und Verwaltungstitel entsprechend ausstatten. Die Übertragbarkeit von Restmitteln werden wir fortführen.

Wir wollen prüfen, ob sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige im Bürgergeldbezug in die Betreuung durch die Agenturen für Arbeit wechseln können, auch um Kapazitäten für einen besseren Betreuungsschlüssel in den Jobcentern zu schaffen und ihnen Zugang zu den Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten im SGB III zu gewähren.

Durch die Einführung einer Bagatellgrenze in Höhe von bis zu 50 Euro werden wir die Jobcenter von Bürokratie entlasten. Um den individuellen Charakter des Bürgergelds zu stärken, werden wir auch im SGB II von der horizontalen auf die vertikale Einkommensanrechnung umstellen. Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit wird standardisiert und in Zukunft ausschließlich von der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt.

Zur Problematik der Obdachlosigkeit von EU-Bürgern richten wir eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein.

Die gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände sehen wir samt ihrer Angebotsvielfalt als wichtigen Partner bei der Förderung des gesellschaftlichen Engagements und Zusammenhalts. Bei der Erstellung des 7. Armuts- und Reichtumsberichts richten wir auch einen Fokus auf verdeckte Armut und beziehen Menschen mit Armutserfahrung stärker ein.

Inklusion

Wir wollen, dass Deutschland in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, vor allem aber bei der Mobilität (u. a. bei der Deutschen Bahn), beim Wohnen, in der Gesundheit und im digitalen Bereich, barrierefrei wird. Wir setzen dafür das Bundesprogramm Barrierefreiheit ein. Dazu überarbeiten wir unter anderem das Behindertengleichstellungsgesetz und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Wir setzen uns das Ziel, alle öffentlichen Gebäude des Bundes umfassend barrierefrei zu machen.

Wir verpflichten in dieser Wahlperiode private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, innerhalb einer angemessenen Übergangsfrist zum Abbau von Barrieren oder, sofern dies nicht möglich oder zumutbar ist, zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen. Wir legen entsprechende Förderprogramme auf und bauen die Beratungsarbeit der Bundesfachstelle Barrierefreiheit aus.

Wir werden die Ausnahmemöglichkeiten des Personenbeförderungsgesetzes (ÖPNV) bis 2026 gänzlich abschaffen. Darüber hinaus sorgen wir baldmöglichst dafür, dass Pressekonferenzen und öffentliche Veranstaltungen von Bundesministerien und nachgeordneten Behörden sowie Informationen zu Gesetzen und Verwaltungshandeln in Gebärdensprache übersetzt und untertitelt werden sowie die Angebote in leichter bzw. einfacher Sprache ausgeweitet werden. Dazu richten wir einen Sprachendienst in einem eigenen Bundeskompetenzzentrum Leichte Sprache/ Gebärdensprache ein.

Wir legen den Schwerpunkt auf die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderungen. Wir werden die neu geschaffenen einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber weiterentwickeln und eine vierte Stufe der Ausgleichsabgabe für jene einführen, die trotz Beschäftigungspflicht keinen Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Vollständig an das Integrationsamt übermittelte Anträge gelten nach sechs Wochen ohne Bescheid als genehmigt (Genehmigungsfiktion). Wir werden das Budget für Arbeit und das Budget für Ausbildung weiter stärken und ausbauen. Die Mittel aus der Ausgleichsabgabe wollen wir vollständig zur Unterstützung und Förderung der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzen. Wir wollen alle unsere Förderstrukturen darauf ausrichten, dass Menschen so lange und inklusiv wie möglich am Arbeitsleben teilhaben. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement wollen wir als Instrument auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite stärker etablieren mit dem Ziel, es nach einheitlichen Qualitätsstandards flächendeckend verbindlich zu machen (Beispiel „Hamburger Modell“). Dabei setzen wir auch auf die Expertise der Schwerbehindertenvertrauenspersonen.

Die Angebote von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) werden wir stärker auf die Integration sowie die Begleitung von Beschäftigungsverhältnissen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausrichten. Wir werden das Beteiligungsvorhaben zur Entwicklung eines transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystems in den WfbM und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fortsetzen und die Erkenntnisse umsetzen. Darüber hinaus entwickeln wir die Teilhabeangebote auch für diejenigen weiter, deren Ziel nicht oder nicht nur die Teilhabe am Arbeitsleben ist. Wir werden Inklusionsunternehmen stärken, auch durch formale Privilegierung im Umsatzsteuergesetz.

Im Rahmen des regelmäßigen Umtauschs des klassischen Schwerbehindertenausweises wird dieser auf den digitalen Teilhabeausweis umgestellt. Wir nehmen die Evaluation des Bundesteilhabegesetzes ernst und wollen, dass es auf allen staatlichen Ebenen und von allen Leistungserbringern konsequent und zügig umgesetzt wird. Übergangslösungen sollen beendet und bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Wir werden Hürden, die einer Etablierung und Nutzung des Persönlichen Budgets entgegenstehen oder z. B. das Wunsch- und Wahlrecht unzulässig einschränken, abbauen. Aufbauend auf der Evaluierung wollen wir weitere Schritte bei der Freistellung von Einkommen und Vermögen gehen. Wir werden verbindlichere Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt vorantreiben.

Wir werden das Verhältnis von Eingliederungshilfe und Pflege klären mit dem Ziel, dass für die betroffenen Menschen keine Lücken in der optimalen Versorgung entstehen. Wir werden ein Maßnahmenpaket schnüren, um im Sinne der Leistungsberechtigten zu schnelleren, unbürokratischeren und barrierefreien Antragsverfahren zu kommen. Wir werden ein Assistenzhundegesetz schaffen. Die im Teilhabestärkungsgesetz beschlossene Studie erweitern wir um den Aspekt der Kosteneinsparung. Zu ihrer Durchführung und Ausweitung legen wir ein Förderprogramm auf. Wir prüfen die Regelbedarfsstufe 1 in besonderen Wohnformen.

Wir werden für mehr Teilhabe und politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen an wichtigen Vorhaben auf Bundesebene sorgen. Die Mittel des Partizipationsfonds wollen wir erhöhen und verstetigen. Wir stärken die Inklusion im Sport, unter anderem das Projekt „InduS“ und inklusive Ligen. Wir unterstützen die Vorbereitung und Durchführung der Special Olympics World Games 2023 in Berlin. Wir prüfen eine Reform der Strukturen der Contergan-Stiftung, die den Betroffenen mehr Mitsprache ermöglicht.

Pflege und Gesundheit

Alle Menschen in Deutschland sollen gut versorgt und gepflegt werden - in der Stadt und auf dem Land. Wir wollen einen Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik und ziehen Lehren aus der Pandemie, die uns die Verletzlichkeit unseres Gesundheitswesens vor Augen geführt hat. Wir sorgen für eine bedarfsgerechte  Gesundheitsversorgung und eine menschliche und qualitativ hochwertige Medizin und Pflege. Wir verbessern die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte. Wir ermöglichen Innovationen und treiben die Digitalisierung voran. Grundlage für all dies ist eine auf lange Sicht stabile Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege.

Pflege

Die Pflegekräfte in Deutschland erbringen während der Pandemie eine herausragende Leistung. In der aktuell sehr herausfordernden Situation in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wollen wir diesen Einsatz anerkennen. Der Bund wird hierfür eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Dazu werden wir die Steuerfreiheit des Pflegebonus auf 3.000 Euro anheben.

Wir werden in der stationären Pflege die Eigenanteile begrenzen und planbar machen. Die zum 1. Januar 2022 in Kraft tretende Regelung zu prozentualen Zuschüssen zu den Eigenanteilen werden wir beobachten und prüfen, wie der Eigenanteil weiter abgesenkt werden kann. Die Ausbildungskostenumlage werden wir aus den Eigenanteilen herausnehmen und versicherungsfremde Leistungen wie die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige und die pandemiebedingten Zusatzkosten aus Steuermitteln finanzieren, sowie die Behandlungspflege in der stationären Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen und pauschal ausgleichen. Den Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung (SPV) heben wir moderat an.

Wir ergänzen das Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) um innovative quartiernahe Wohnformen und ermöglichen deren Förderung gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen. Bei der pflegerischen Versorgung vor Ort räumen wir den Kommunen im Rahmen der Versorgungsverträge verbindliche Mitgestaltungsmöglichkeiten ein. Wir unterstützen den bedarfsgerechten Ausbau der Tages- und Nachtpflege sowie insbesondere der solitären Kurzzeitpflege.

Leistungen wie die Kurzzeit- und Verhinderungspflege fassen wir in einem unbürokratischen, transparenten und flexiblen Entlastungsbudget mit Nachweispflicht zusammen, um die häusliche Pflege zu stärken und auch Familien von Kindern mit Behinderung einzubeziehen.

Wir dynamisieren das Pflegegeld ab 2022 regelhaft. Wir entwickeln die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiter und ermöglichen pflegenden Angehörigen und Nahestehenden mehr Zeitsouveränität, auch durch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten.

Wir prüfen, die soziale Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung zu ergänzen, die die Übernahme der vollständigen Pflegekosten umfassend absichert. Eine Expertenkommission soll bis 2023 konkrete Vorschläge vorlegen, die generationengerecht sind. Der privaten Pflegeversicherung würden wir vergleichbare Möglichkeiten geben.

Bei der intensivpflegerischen Versorgung muss die freie Wahl des Wohnorts erhalten bleiben. Das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) soll darauf hin evaluiert und nötigenfalls nachgesteuert werden. Wir gestalten eine rechtssichere Grundlage für die 24-Stunden-Betreuung im familiären Bereich.

Der Dramatik der Situation in der Pflege begegnen wir mit Maßnahmen, die schnell und spürbar die Arbeitsbedingungen verbessern. Kurzfristig führen wir zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus die Pflegepersonalregelung 2.0. (PPR 2.0) als Übergangsinstrument mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmixes ein. In der stationären Langzeitpflege beschleunigen wir den Ausbau der Personalbemessungsverfahren. Insbesondere dort verbessern wir Löhne und Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte mit dem Ziel, die Gehaltslücke zwischen Kranken- und Altenpflege zu schließen. Wir wollen den Pflegeberuf attraktiver machen, etwa mit Steuerbefreiung von Zuschlägen, durch die Abschaffung geteilter Dienste, die Einführung trägereigener Springerpools und einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern.

Wir harmonisieren die Ausbildungen u. a. durch bundeseinheitliche Berufsgesetze für Pflegeassistenz, Hebammenassistenz und Rettungssanitärer und sorgen für eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern. Die akademische Pflegeausbildung stärken wir gemeinsam mit den Ländern. Dort, wo Pflegefachkräfte in Ausbildung oder Studium bisher keine Ausbildungsvergütung erhalten, schließen wir Regelungslücken. Professionelle Pflege ergänzen wir durch heilkundliche Tätigkeiten und schaffen u. a. das neue Berufsbild der „Community Health Nurse“.

Wir bringen ein allgemeines Heilberufegesetz auf den Weg und entwickeln das elektronische Gesundheitsberuferegister weiter. Wir machen Schmerzmittel im Betäubungsmittelgesetz für Gesundheitsberufe delegationsfähig. Wir bringen ein Modellprojekt zum Direktzugang für therapeutische Berufe auf den Weg.

Wir vereinfachen und beschleunigen die notwendige Gewinnung von ausländischen Fachkräften und die Anerkennung von im Ausland erworbener Berufsabschlüsse.

Mit einer bundesweiten Befragung aller professionell Pflegenden wollen wir Erkenntnisse darüber erlangen, wie die Selbstverwaltung der Pflege in Zukunft organisiert werden kann. Wir stärken den Deutschen Pflegerat als Stimme der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss und anderen Gremien und unterstützen ihn finanziell bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.

Aus- und Weiterbildung in Gesundheit und Pflege

Im Rahmen der Reform der Krankenhausvergütung werden Mittel für Weiterbildung in den Fallpauschalen künftig nur an die Kliniken anteilig ausgezahlt, die weiterbilden. Wir aktualisieren das Konzept zur Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten, um auch medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche leichter verfügbar zu machen. Wir implementieren die Vermittlung digitaler Kompetenzen in der Ausbildung der Gesundheits- und Pflegeberufe sowie in Fort- und Weiterentwicklung. Die Pflegeausbildung soll in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Rehabilitation ermöglicht werden, soweit diese die Voraussetzungen erfüllen. Die Approbationsordnung wird mehr auf Digitalisierung, Ambulantisierung, Spezialisierung, Individualisierung und berufsgruppenübergreifende Kooperation ausgerichtet.

Öffentlicher Gesundheitsdienst

Als Lehre aus der Pandemie bedarf es eines gestärkten Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), der im Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen sichergestellt wird. Wir verlängern beim Pakt für den ÖGD die Einstellungsfristen und appellieren an die Sozialpartner, einen eigenständigen Tarifvertrag zu schaffen. Auf der Grundlage des Zwischenberichts stellen wir die notwendigen Mittel für einen dauerhaft funktionsfähigen ÖGD bereit. Mit einem Gesundheitssicherstellungsgesetz stellen wir insbesondere die effiziente und dezentrale Bevorratung von Arzneimittel- und Medizinprodukten sowie regelmäßige Ernstfallübungen für das Personal für Gesundheitskrisen sicher. Zur weiteren Erforschung und Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von Covid19 sowie für das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) schaffen wir ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geht in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit auf, in dem die Aktivitäten im Public-Health Bereich, die Vernetzung des ÖGD und die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt sind. Das RKI soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein.

Digitalisierung im Gesundheitswesen

In einer regelmäßig fortgeschriebenen Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen und in der Pflege legen wir einen besonderen Fokus auf die Lösung von Versorgungsproblemen und die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer. In der Pflege werden wir die Digitalisierung u. a. zur Entlastung bei der Dokumentation, zur Förderung sozialer Teilhabe und für therapeutische Anwendungen nutzen. Wir ermöglichen regelhaft telemedizinische Leistungen inklusive Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen sowie Videosprechstunden, Telekonsile, Telemonitoring und die telenotärztliche Versorgung.

Wir beschleunigen die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes sowie deren nutzenbringende Anwendung und binden beschleunigt sämtliche Akteure an die Telematikinfrastruktur an. Alle Versicherten bekommen DSGVO-konform eine ePA zur Verfügung gestellt; ihre Nutzung ist freiwillig (opt-out). Die gematik bauen wir zu einer digitalen Gesundheitsagentur aus. Zudem bringen wir ein Registergesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz zur besseren wissenschaftlichen Nutzung in Einklang mit der DSGVO auf den Weg und bauen eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur auf.

Wir überprüfen das SGB V und weitere Normen hinsichtlich durch technischen Fortschritt überholter Dokumentationspflichten. Durch ein Bürokratieabbaupaket bauen wir Hürden für eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten ab. Die Belastungen durch Bürokratie und Berichtspflichten jenseits gesetzlicher Regelungen werden kenntlich gemacht. Wir verstetigen die Verfahrenserleichterungen, die sich in der Pandemie bewährt haben. Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V.

Gesundheitsförderung

Wir entwickeln das Präventionsgesetz weiter und stärken die Primär- und Sekundärprävention. Dem Leitgedanken von Vorsorge und Prävention folgend stellen wir uns der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zielgruppenspezifisch und umfassend. Wir unterstützen die Krankenkassen und andere Akteure dabei, sich gemeinsam aktiv für die Gesunderhaltung aller einzusetzen. Wir schaffen einen Nationalen Präventionsplan sowie konkrete Maßnahmenpakete z.B. zu den Themen Alterszahn­gesundheit, Diabetes, Einsamkeit, Suizid, Wiederbelebung und Vorbeugung von klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden. Zu Gunsten verstärkter Prävention und Gesundheitsförderung reduzieren wir die Möglichkeiten der Krankenkassen, Beitragsmittel für Werbemaßnahmen und Werbegeschenke zu verwenden.

Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung

Um die Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen zu fördern, setzen wir zügig für geeignete Leistungen eine sektorengleiche Vergütung durch sogenannte Hybrid-DRG um. Durch den Ausbau multiprofessioneller, integrierter Gesundheits- und Notfallzentren stellen wir eine wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung sicher und fördern diese durch spezifische Vergütungsstrukturen. Zudem erhöhen wir die Attraktivität von bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen (Gesundheitsregionen) und weiten den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern aus, um innovative Versorgungsformen zu stärken. In besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen (5 Prozent) errichten wir niedrigschwellige Beratungsangebote (z.B. Gesundheitskioske) für Behandlung und Prävention. Im ländlichen Raum bauen wir Angebote durch Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen aus. Die ambulante Bedarfs- und stationäre Krankenhausplanung entwickeln wir gemeinsam mit den Ländern zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiter.

Die Notfallversorgung soll in integrierten Notfallzentren in enger Zusammenarbeit zwischen den kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und den Krankenhäusern (KH) erfolgen. Wir räumen den KVen die Option ein, die ambulante Notfallversorgung dort selbst sicherzustellen oder diese Verantwortung in Absprache mit dem Land ganz oder teilweise auf die Betreiber zu übertragen. Durch eine Verschränkung der Rettungsleitstellen mit den KV-Leitstellen und standardisierten Einschätzungssystemen (telefonisch, telemedizinisch oder vor Ort) erreichen wir eine bedarfsgerechtere Steuerung. Wir nehmen das Rettungswesen als integrierten Leistungsbereich in das SGB V auf und regeln den Leistungsumfang der Bergrettung sowie die Verantwortung für Wasserrettung jenseits der Küstengewässer.

Wir stellen gemeinsam mit den KVen die Versorgung in unterversorgten Regionen sicher. Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf. Die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen erleichtern wir und bauen bürokratische Hürden ab. Entscheidungen des Zulassungsausschusses müssen künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden.

Die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten verbessern wir durch flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung. Wir entwickeln den Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds weiter und schaffen eine Verordnungsfähigkeit für Notfallbotendienste in der ambulanten Notfallversorgung. Wir novellieren das „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen.

Wir setzen das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ mit einem Aktionsplan um. Wir evaluieren mögliche Fehlanreize rund um Spontangeburten und Kaiserschnitte und führen einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt ein. Wir stärken den Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle und schaffen die Möglichkeit und Vergütung zur ambulanten, aufsuchenden Geburtsvor- und -nachsorge für angestellte Hebammen an Kliniken.

Für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen erarbeiten wir mit den Beteiligten bis Ende 2022 einen Aktionsplan, stärken die Versorgung schwerstbehinderter Kinder und entlasten ihre Familien von Bürokratie. Die Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen sowie die Sozialpädiatrischen Zentren bauen wir in allen Bundesländern aus.

Wir berücksichtigen geschlechtsbezogene Unterschiede in der Versorgung, bei Gesundheitsförderung und Prävention und in der Forschung und bauen Diskriminierungen und Zugangsbarrieren ab. Die Gendermedizin wird Teil des Medizinstudiums, der Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe werden.

Wir stärken die paritätische Beteiligung von Frauen in den Führungsgremien der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen sowie ihrer Spitzenverbände auf Bundesebene sowie der gesetzlichen Krankenkassen.

Wir starten eine bundesweite Aufklärungskampagne zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Wir reformieren die psychotherapeutische Bedarfsplanung, um Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz, insbesondere für Kinder- und Jugendliche, aber auch in ländlichen und strukturschwachen Gebieten deutlich zu reduzieren. Wir verbessern die ambulante psychotherapeutische Versorgung insbesondere für Patienten mit schweren und komplexen Erkrankungen und stellen den Zugang zu ambulanten Komplexleistungen sicher. Die Kapazitäten bauen wir bedarfsgerecht, passgenau und stärker koordiniert aus. Im stationären Bereich sorgen wir für eine leitliniengerechte psychotherapeutische Versorgung und eine bedarfsgerechte Personalausstattung. Die psychiatrische Notfall- und Krisenversorgung bauen wir flächendeckend aus.

Krankenhausplanung und -finanzierung

Mit einem Bund-Länder-Pakt bringen wir die nötigen Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg. Eine kurzfristig eingesetzte Regierungskommission wird hierzu Empfehlungen vorlegen und insbesondere Leitplanken für eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende und sich an Kriterien wie der Erreichbarkeit und der demographischen Entwicklung orientierende Krankenhausplanung erarbeiten. Sie legt Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vor, die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt. Kurzfristig sorgen wir für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe.

Rechte von Patientinnen und Patienten

Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) überführen wir in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen.

Mit einer Reform des G-BA beschleunigen wir die Entscheidungen der Selbstverwaltung, stärken die Patientenvertretung und räumen der Pflege und anderen Gesundheitsberufen weitere Mitsprachemöglichkeiten ein, sobald sie betroffen sind. Der Innovationsfonds wird verstetigt. Für erfolgreiche geförderte Projekte, wie die der Patientenlotsen werden wir einen Pfad vorgeben, wie diese in die Regelversorgung überführt werden können.

Bei Behandlungsfehlern stärken wir die Stellung der Patientinnen und Patienten im bestehenden Haftungssystem. Ein Härtefallfonds mit gedeckelten Ansprüchen wird eingeführt.

Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen

Wir stellen die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen sicher. Die Engpässe in der Versorgung bekämpfen wir entschieden. Wir ergreifen Maßnahmen, um die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern. Dazu gehören der Abbau von Bürokratie, die Prüfung von Investitionsbezuschussungen für Produktionsstätten, sowie die Prüfung von Zuschüssen zur Gewährung der Versorgungssicherheit. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, schaffen wir mehr Transparenz über finanzielle Zuwendungen an Leistungs- und Hilfsmittelerbringer.

Drogenpolitik

Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen. Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderung ermöglichen und bauen wir aus.

Bei der Alkohol- und Nikotinprävention setzen wir auf verstärkte Aufklärung mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen. Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis. Wir messen Regelungen immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus.

Gesundheitsfinanzierung

Wir bekennen uns zu einer stabilen und verlässlichen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Den Bundeszuschuss zur GKV dynamisieren wir regelhaft. Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln. Wir behalten das bestehende Preismoratorium bei. Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) entwickeln wir weiter. Wir stärken die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise. Der verhandelte Erstattungspreis gilt ab dem siebten Monat nach Markteintritt.

Die gesetzlichen Krankenkassen sollen ihre Service- und Versorgungsqualität zukünftig anhand von einheitlichen Mindestkriterien offenlegen. Sie erhalten verstärkt die Möglichkeit, ihren Versicherten auch monetäre Boni für die Teilnahme an Präventionsprogrammen zu gewähren. Für Kinder und Jugendliche in der PKV soll zukünftig das Prinzip der Direktabrechnung gelten.

Wir werden für Menschen mit ungeklärtem Versicherungsstatus, wie insbesondere Wohnungslose, den Zugang zur Krankenversicherung und zur Versorgung prüfen und im Sinne der Betroffenen klären.

 

 

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