(Red./KHP/CPL) Kaum sind die Ankündigungen über die Sozialwahlen durch Veröffentlichungen insbesondere der DRV-Bund und den Ersatzkassen im Lande laufen die Fragen von Versicherten auf, die in der Frage gipfeln

    Sozialwahl? Warum wird nicht überall gewählt?

    Diese Frage war zu erwarten: Warum wird nicht überall gewählt? Dabei steht doch überall geschrieben am 31.05. finden die Sozialwahlen 2017 statt. Der drittgrößten Wahl nach Bundestags- und Europawahl wie in den Veröffentlichungen ausgeführt wird. Schließlich sollen doch so um die 51 Millionen Wähler, in diesem Falle Versicherte, aufgerufen sein, ihre Versichertenparlamente ob Vertreterversammlung oder Verwaltungsräte bei den Sozialversicherungsträgern (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung) zu wählen.

    Nun haben nicht alle Versicherten eine Nachricht von ihrem Rentenversicherungsträger oder ihrer gesetzlichen Krankenkasse erhalten, dass der Versand von Briefwahlunterlagen ab April beginnt. Also wie ist es jetzt?

    Alle Versicherten wählen? Nein, nicht alle! Es gibt bei den meisten Sozialversicherungsträgern keine echten Wahlen. Also keine Wahlen nach dem Motto: Wählen heißt, auswählen können! Wählen kann man z.B. nicht bei den AOK und fast allen Regionalträgern der Deutschen Rentenversicherung (ehemalige LVA).

    Echt gewählt wird z.B. bei der DRV-Bund (vormals BfA) und den Ersatzkassen und bei einigen wenigen Trägern in der GKV außerhalb der AOK-Familie.

     

    Die Arbeitgebervertreter werden bei keinem Versicherungsträger gewählt. Die Vertreter werden auf der Arbeitgeberseite – so z.B. beim Bund durch den BDA in der Anzahl der Sitze die im jeweiligen Träger von Arbeitgeberseite zu besetzen sind, benannt. Von den Arbeitgebern wird das Institut der Wahlen ohne Wahlhandlung gepflegt und das Begehren auf echten Wahlen nicht unterstützt. Aber auch die Versichertenseite, vertreten durch einen anderen. Sozialpartner (Gewerkschaft) hat dieses Institut so kultiviert, dass sicherstellt ist, dass in den Trägern der Sozialversicherung der eigene Machtanspruch gefestigt wird.

    Das Verfahren „Wahl ohne Wahlhandlung“ sollte nach der letzten Sozialwahl (2011)für die Zukunft verändert werden. Verändert zu einem Verfahren echter Wahlen. Also einer Auswahlmöglichkeit der Versicherten bei der Wahl zwischen verschiedenen Listen. So wurde das Vorhaben der Veränderung des Wahlrechts zu mehr echten Wahlen neben der Aufgabe der Stärkung der Selbstverwaltung in den Koalitionsvertrag der GroKo aufgenommen.

    Gerald Weiß ist ein Freund klarer Worte.“ Die Große Koalition habe sich verkämpft und gegenseitig blockiert, urteilte der frühere Bundeswahlbeauftragte für die Sozialwahlen, als Union und SPD Anfang 2015 ihre Pläne für eine Reform der Sozialwahlen fallen ließen. Dabei hatten die Koalitionspartner viel vor: Sie wollten insbesondere die Hürden für die weit verbreitete Friedenswahl erhöhen. Sie wollten mehr echte Wahlen.

    Union und SPD sind jedoch eingeknickt vor einer Koalition aus Arbeitgebern und Gewerkschaften, die es sich (siehe oben) bequem in den Sozialversicherungsträgern mit dem Institut der Friedenswahlen (Wahlen ohne Wahlhandlung) eingerichtet haben, insbesondere in den AOK und den Regionalträgern der Rentenversicherung.

    Es war Anfang (2013) für Außenstehende nicht gleich erkennbar, dass man ernsthaft seitens der Politik keine Veränderung wollte. Fing man doch mit einem Projekt an, das zwar ausdrücklich den Vorstellungen des Bundeswahlbeauftragten, Gerald Weiß entsprach, dem Projekt Onlinewahlen. Durch die Einführung von Onlinewahlen sollte vor allem die Wahlbeteiligung verbessert und damit die Akzeptanz für die Selbstverwaltung gestärkt werden.

    Für Eingeweihte oder besser Wissende war jedoch sofort erkennbar, dass man mit dem Projekt Onlinewahlen aufzeigte, dass man eine Veränderung des bisherigen Systems gar nicht wollte, weil bekannt war, dass weder die IT-Voraussetzungen noch die juristischen Fragen in dem Zeitraum bis zur neuen Wahl gelöst werden konnten. So ist es denn auch gekommen. Die von Anfang an absehbaren Schwierigkeiten ließen sich nicht bewältigen und mit dem Projekt verschwanden auch alle anderen Vorstellungen oder Absichten für eine Stärkung der Selbstverwaltung.

    Sicher, die Verteidiger der Friedenswahl haben jetzt weiterhin das Recht auf ihrer Seite. Doch es nützt nichts, dies Recht gebetsmühlenartig zu wiederholen. Denn in der Bevölkerung besteht sicherlich nicht zu Unrecht der Eindruck, hier werde lediglich gekungelt. Eine Wahl, bei der es letztlich nichts zu wählen gibt, klingt nach DDR oder Nordkorea, nicht nach Demokratie.

    Weiß stellte in seinem Abschlußbericht zu den Sozialwahlen 2011 völlig zu Recht fest, dass die Friedenswahl ein Legitimationsdefizit habe. Tatsächlich ist kaum begründbar, daß die beteiligten Organisationen lediglich aus sich selbst heraus die Entscheidungsträger in den Selbstverwaltungsorganen bestimmen. So lange für dieses Problem keine Lösung gefunden ist, wird der Vorwurf von nicht demokratisch legitimierten Auswahlverfahren im Raume stehen. Es ist darüber hinaus zu befürchten, dass das gesamte System der Selbstverwaltung infrage gestellt wird. Dies dürften selbst die „Sozialpartner“ (Gewerkschaften u. Arbeitgeber) als Verfechter der Wahlen ohne Wahlhandlung nicht wollen.

    Festzuhalten bleibt: Das Versagen der Politik allerdings ist offenkundig. Das Nichthandeln in der zentralen Frage der Ausweitung echter demokratischer Wahlen bei den Sozialversicherungsträgern nagt an der Akzeptanz der Selbstverwaltung in den Sozialversicherungsträgern. Dieses Nichthandeln der Politik ist das Gegenteil von der versprochenen Stärkung der Selbstverwaltung. Es bleibt jetzt nur die Hoffnung, dass ein neuer Bundestag die 2013 versprochenen Reformen zur Stärkung der Selbstverwaltung und nicht zuletzt der Stärkung der echten Wahlhandlungen in Angriff nimmt.

    Siehe auch:

     

    Sozialwahl: Tage der Selbstverwaltung - Nicht mehr reden, sondern jetzt handeln

     

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