Rente und Koalitionsvertrag. Wie geht das zusammen. Zuerst hat es der geneigte Leser mit der schriftlich festgehaltenen Aussage der Koalition zu tun. Die lautet:

    Wir werden den sogenannten Nachholfaktor in der Rentenberechnung rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren und im Rahmen der geltenden Haltelinien wirken lassen.

    Das ist schon eine Aussage, die so getätigt, zumindest die Glaubwürdigkeit der Politik nicht gerade steigert. War doch gesetzlich normiert worden, dass bis 2026 der Nachholfaktor ausgesetzt ist. Zu verzeichnen ist jetzt also, dass durch ein Gesetz rechtzeitig vor der nächsten Rentenanpassung ein neuer Tatbestand fixiert wird, der das Versprechen zurücknimmt, auf das sich die Rentner (aber auch einige hunderttausend Neurentner in den Jahren 2022 – 2025) verlassen haben, bis 2026 keine Rentenkürzungen vorzunehmen.

    Nun – wie heißt es so schön im Volksmund: Neue Besen kehren… Ersparen wir uns die Vervollständigung dieses Sprichwortes. Denn mit der angekündigten Handlung zu Anfang der Regierungszeit der Ampel wird gleich ein Versprechen gebrochen.

    Nun, es wird es nicht die breite Mehrheit wissen, wie sich überhaupt eine Rentensteigerung errechnet. Wann es also unter welchen Bedingungen eine Rentensteigerung oder wann es eine Rentensenkung geben muss.  

    Wir dachten: Es ist jetzt nicht die Zeit, die Leser mit einer Formel über die Berechnung von Rentenanpassungen oder Nichtanpassungen zu beglücken. Wir versuchen es mit der Aussage einer Fachkraft der Deutschen Rentenversicherung (keine Angst, die ist auch für Nichtfachleute halbwegs verständlich) Danach ist hoffentlich allen klar, wie der Nachholfaktor sich auswirkt. Also zum Beispiel, wird  die Erhöhung der Renten am 01.07.22  etwa 0,8% weniger hoch ausfallen, als  bisher vorausgesagt.

    Hier die Aussage der Fachkraft der Rentenversicherung
     
    Im Folgenden möchte ich auf einen Punkt eingehen, der im Koalitionsvertrag enthalten ist.
     

    Beginnen wir  mit der Rentenanpassung und konkret mit dem Ausgleichsbedarf und den Ausgleichsfaktor - meist Nachholbedarf und Nachholfaktor genannt — bereits „rechtzeitig vor Rentenanpassungen ab 2022“ wieder zu „aktivieren". Bislang gesetzlich vorgesehen war dies erst für 2026.

     

    Eine aufgrund der Rentengarantie unterbliebene Rentenanpassung — wie in diesem Jahr — würde dann wieder zum Aufbau eines Ausgleichsbedarfs führen. Da die Rentenanpassung 2021 bereits abgeschlossen ist, wäre der Ausgleichsbedarf aus 2021 gegebenenfalls nachträglich zu bestimmen. Dieser Ausgleichsbedarf würde ab 2022 mit den folgenden Rentenanpassungen verrechnet. Die Verrechnung - der Ausgleichsfaktor führt nach den gesetzlichen Vorgaben maximal zu einer Halbierung der eigentlichen Rentenanpassung, der verbleibende Bedarf wird im Folgejahr verrechnet und so weiter. Mit dem RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz wurde der Aufbau von Ausgleichsbedarf jedoch bis 2025 ausgesetzt, weil er mit den Haltelinien kollidieren könnte.

    Infolge der Covid-19-Pandemie musste 2021 die Rentengarantie wirksam werden. Mehrere Faktoren hatten dazu geführt, dass die Rentenanpassungsformel eine negative Anpassung hervorbrachte:

     

    • Der Nachhaltigkeitsfaktor dämpfte die Rentenanpassung, weil die Zahl der Beitragszahler 2020 zurückging.
    • Der Lohnfaktor der Rentenanpassungsformel dämpfte die Anpassung weiter, denn die durchschnittlichen Löhne 2020 waren leicht und
    • ein statistischer Sondereffekt, auch als "Revision" bezeichnet, hatte 2019 dazu geführt, dass die beitragspflichtigen Einnahmen von Erwerbstätigen im Durchschnitt niedriger ausgewiesen wurden
    • Der Beitragssatzfaktor wirkte sich 2021 dagegen nicht aus.

     

    Der Sondereffekt im Lohnfaktor steht in Zusammenhang mit der Flexi-Rente und die dadurch ausgelöste zusätzliche Hereinnahme von Beschäftigten über der Regelaltersgrenze in die Statistik. Diese Beschäftigten weisen durchschnittlich niedrigere Löhne auf und verschoben damit den Durchschnittswert im Jahr 2019 nach unten. Dieser reduzierte Wert war dann auch bei der Berechnung der Rentenanpassung zwei Jahre später, also 2021, zugrunde zu legen.

     

    Der Gesamteffekt der Faktoren der Rentenanpassungsformel, in diesem Fall also aus Lohnfaktor und Nachhaltigkeitsfaktor, belief sich 2021 auf minus 3,25 Prozent im Westen. Wird der Lohnfaktor aber um den statistischen Sondereffekt bereinigt, reduziert sich der Effekt auf 1,17 Prozent.

     

    Sollte die 2021 unterbliebene Wirkung im Jahr 2022 nachgeholt werden, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, würde sich die Rentenanpassung - wie erwähnt - bis auf maximal eine Halbierung der Anpassung vermindern.

     

    Gut, wir verstehen, wenn ihnen auch diese Ausführungen nicht erklären können, wie genau sich denn die Anpassung der Rente errechnet. Es bleibt aber dabei: Nichts scheint unsicherer zu sein, als Zusagen in der Sozialpolitik.

     
     
     
    Wir benutzen Cookies

    Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.