Es dürfte jedem inzwischen zur Kenntnis gelangt sein, dass es sich bei dem in Kraft getreten Pflegeunterstützungsgesetz nicht um ein Gesetz handelt, dass die Probleme in der Pflegeversicherung abschließend regelt. Weder für diejenigen, die Pflege benötigen noch für diejenigen, die Unterstützung als Pflegender benötigen. Es ist eine kleine Verbesserung bei der Höhe der Leistungen der Pflegegeldempfänger. Erkauft auf der einen Seite mit der Erhöhung des Beitragssatzes in der Pflegeversicherung. Dabei aber auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil (BVerfG) berücksichtigend. Das BVerfG hatte den Gesetzgeber aufgefordert, Personen mit Kindern in der Pflegeversicherung gegenüber denjenigen zu entlasten, die keine Kinder haben.
Nicht ohne Grund wird in der Begründung des Gesetzestextes zuerst auf diese Beitragsproblematik eingegangen. Heißt es doch da:
Zur Absicherung bestehender Leistungsansprüche der sozialen Pflegeversicherung und der im Rahmen dieser Reform vorgesehenen Leistungsanpassungen wird der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung zum 1. Juli 2023 moderat um 0,35 Prozentpunkte angehoben.
Dabei wird auch auf das doch sonst sehr zeitaufwändige Verfahren einer Beitragsanhebung eingegangen, in dem der Gesetzgeber in das Gesetz die Möglichkeit der Anpassung der Beiträge durch Rechtsverordnung ausgestattet hat. Begründet wird dies mit folgender Formulierung:
Die finanzielle Entwicklung der sozialen Pflegeversicherung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass sich kurzfristig ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf ergeben kann und dass die grundsätzlich vorgesehene, gesetzliche Anpassung des Beitragssatzes in diesen Fällen eine zu lange Vorlaufzeit haben kann. Deshalb wird für den Fall eines kurzfristigen Liquiditätsbedarfs zusätzlich eine Rechtsverordnungsermächtigung für die Bundesregierung zur Anpassung des Beitragssatzes ergänzt.
Die Verbesserungen gegenüber den bisherigen Vorschriften stellen sich nach dem Gesetzestext wie folgt dar:
Um die häusliche Pflege zu stärken, wird das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um 5 Prozent erhöht. Angesichts lohnbedingt steigender Pflegevergütungen ambulanter Pflegeeinrichtungen werden ebenso die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um 5 Prozent erhöht.
Die Regelungen zum Pflegeunterstützungsgeld werden angepasst: Wenn die Voraussetzungen für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 des Pflegezeitgesetzes vorliegen, soll das Pflegeunterstützungsgeld pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen in Anspruch genommen werden können.
Mit der Einführung der Leistung der Versorgung Pflegebedürftiger bei Inanspruchnahme von Versorgungs- oder Rehabilitationsleistungen durch die Pflegeperson soll auch der Zugang zu stationären Vorsorgeleistungen erfasst und der Zugang zu Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erleichtert werden, in dem unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Mitaufnahme des Pflegebedürftigen in die stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung der Pflegeperson erweitert und weiterentwickelt wird.Hierfür wird mit § 42a des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) ein eigener Leistungstatbestand im Pflegeversicherungsrecht eingeführt, der dem Anspruch nach § 40 Absatz 3 Satz 11 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) alter Fassung (neu: § 40 Absatz 3a Satz 1 SGB V) nachgebildet ist.
Nachdem zum 1. Januar 2022 Leistungszuschläge eingeführt worden sind, um die von den Pflegebedürftigen zu tragenden Eigenanteile in der vollstationären pflegerischen Versorgung zu reduzieren, werden diese Leistungszuschläge ab dem 1. Januar 2024 nochmals um 5 bis 10 Prozentpunkte erhöht.
Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Für die langfristige Leistungsdynamisierung wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung sollen in der Langzeitpflege noch besser genutzt werden. Dazu wird ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege eingerichtet, das die Potentiale zur Verbesserung und Stärkung der pflegerischen Versorgung sowohl für die Betroffenen als auch die Pflegenden identifiziert und verbreitet. Das bestehende Förderprogramm nach § 8 Absatz 8 SGB XI für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen zur Entlastung des Pflegepersonals wird um weitere Fördertatbestände ausgeweitet und entfristet. Die bisher weitgehend freiwillige Anbindung der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur wird durch eine verpflichtende Anbindung der Pflegeeinrichtungen ersetzt.
Ferner wird der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 zur Berücksichtigung des Erziehungsaufwands von Eltern im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung umgesetzt. Hierfür wird der Kinderlosenzuschlag um 0,25 Beitragssatzpunkte auf 0,6 Beitragssatzpunkte angehoben. Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit mehreren Kindern werden ab dem zweiten bis zum fünften Kind mit einem Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für jedes Kind entlastet. Bei der Ermittlung des Abschlags nicht berücksichtigungsfähig sind Kinder, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Der Abschlag gilt bis zum Ablauf des Monats, in dem das jeweilige Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat.
Das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist in § 18 SGB XI geregelt. Die Praxis zeigt, dass mit der in verschiedenen Reformschritten seit 2008 gewachsenen Komplexität und Unübersichtlichkeit der geltenden Norm Verständnisschwierigkeiten, Auslegungsfragen und Unsicherheiten verbunden sind. § 18 SGB XI wird daher neu strukturiert und systematisiert, sodass verfahrens- und leistungsrechtliche Inhalte in voneinander getrennten Vorschriften übersichtlicher und adressatengerechter aufbereitet sind. Zudem werden aus Gründen der Rechtssicherheit inhaltliche Anpassungen vorgenommen.
Die Landesverbände der Pflegekassen werden zukünftig verpflichtet, die Landesrahmenverträge zur pflegerischen Versorgung barrierefrei zu veröffentlichen. Zudem wird die Transparenz für die Versicherten, die Leistungen der Pflegeversicherung beziehen, verbessert:
Die in § 108 Absatz 1 Satz 1 SGB XI geregelte Übersicht über die von den Pflegebedürftigen in der Vergangenheit bezogenen Leistungen und deren Kosten wird auf Wunsch von den Pflegekassen künftig einmal je Kalenderhalbjahr automatisch übersandt. Der Qualitätsausschuss wird zu mehr Transparenz und zur Einrichtung einer Referentenstelle zur Unterstützung der Betroffenenorganisationen verpflichtet.
In der stationären Pflege wird die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt. Entwicklungen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt und Erkenntnisse aus dem Modellprogramm nach § 8 Absatz 3b SGB XI werden berücksichtigt.
Den vollständigen Text, der im Bundestag zur Verabschiedung vorlag, ist hier zum Download
Meinung
Das beschlossene Gesetz ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Es wird aber die grundsätzlichen Probleme, die in der gesetzlichen Pflegeversicherung bestehen, nicht lösen können. Weder für die betroffenen Pflegebedürftigen noch für die Pflegenden. Wir vermissen das generelle Umsteuern von den Zuschussregelungen der Pflegeversicherung zur vollen Übernahme der Kosten für den Versicherten. Wie wir es vereinfacht ausdrücken: Pflegeversicherung als Vollkasko mit Eigenbeteiligung.
Unabhängig davon, dass z. B. die durch das familiäre Umfeld eines Pflegebedürftigen erbrachten Leistungen neu bewertet werden, also attraktiv gestaltet werden müssen, ist für diejenigen, die einen Platz im Pflegeheim benötigen, eine Regelung zu treffen, die den Betroffenen nur einen zumutbaren Eigenanteil an den Kosten für die Unterkunft abverlangt. Dabei denken wir, dass z. B. die bisherige Miete oder die laufenden Kosten für eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim, die Kosten für die Kleidung und nicht zuletzt für die Verpflegung als Eigenanteil herangezogen werden können. Je nach der Finanzlage kann und darf auch ein auf die Person und sein Vermögen zugeschnittener höherer Eigenanteil erhoben werden.
Wie hoch ist zurzeit der durchschnittliche Eigenanteil im Pflegeheim?
Laut VDEK beträgt der durchschnittliche Eigenanteil, den pflegebedürftige Bewohner eines Heims selbst tragen müssen, im Jahr 2023 pro Monat 2.394 Euro. Wenn Vermögen und Rente zur Deckung dieser Ausgaben nicht ausreichen, ist der Verkauf des Eigenheims eine Option, auf die viele Menschen zurückgreifen müssen.
Es ist aber nicht hinnehmbar, dass bei einem durchschnittlichen Eigenanteil von zur Zeit 2394 Euro pro Monat für einen Pflegeheimplatz, die überwiegende Zahl der pflegebedürftigen Heimbewohner der Sozialhilfe anheimfällt oder aber das in ggf. einem langen Arbeitsleben erworbenen Vermögen vollständig herangezogen wird. Personen dagegen, die bei gleichen beruflichen und persönlichen Voraussetzungen ihr gesamtes Vermögen "verbraten" haben, werden vom Steuerzahler aufgefangen.
Deshalb die Forderung: Die neue gesetzliche Regelung muss dem Vorschlag auf eine Versicherung mit vollständiger Übernahme der Kosten, mit einem Eigenbehalt folgen. Das bedeutet ggf. Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen um starke Schultern mehr und die schwächeren geringer zu belasten. Auf jeden Fall, so wie es zurzeit ist, kann es nicht bleiben.